Presseschau des Tages // 19.6.2018

· Presseschau

Viele pflegende Angehörige in Deutschland fühlen sich nach einer neuen Studie massiv überlastet und zu wenig anerkannt. Ein großer Anteil empfindet gelegentlich Ärger und Wut; auch Gewalterfahrungen gehören zum Alltag. Das geht aus einer am Montag in Berlin veröffentlichten Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) hervor. Fast drei Viertel der rund 3 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden zu Hause versorgt - davon 1,4 Millionen ausschließlich durch Angehörige. Über ein Drittel der 1.006 befragten pflegenden Angehörigen im Alter zwischen 40 und 85 Jahren (36 Prozent) fühlt sich häufig niedergeschlagen, 29 Prozent sind oft verärgert. Zudem hatte über die Hälfte (52 Prozent) in den vergangenen sechs Monaten teilweise den Eindruck, dass die pflegebedürftige Person ihre Hilfe nicht zu schätzen weiß. 25 Prozent hätten den Pflegebedürftigen bereits "vor Wut schütteln können". 45 Prozent gaben an, mit psychischer Gewalt wie Anschreien, Beleidigen oder Einschüchtern konfrontiert worden zu sein. 11 Prozent haben körperliche Übergriffe wie grobes Anfassen, Kratzen, Kneifen oder Schlagen erlebt. Auch Pflegende können gegenüber einer pflegebedürftigen Person gewaltsam handeln: Insgesamt 40 Prozent der Befragten äußerten, dies innerhalb der letzten sechs Monate mindestens schon einmal absichtlich getan zu haben. Am häufigsten wurden mit 32 Prozent auch hier Formen psychischer Gewalt berichtet. 12 Prozent machten Angaben zu körperlicher Gewalt, 11 Prozent zu Vernachlässigung. Sechs Prozent nannten freiheitsentziehende Maßnahmen. Der Vorstandsvorsitzende des ZQP, Ralf Suhr, hält mehr gezielte Unterstützungsangebote sowie Aufklärung über Gewaltprävention für dringend erforderlich. "Pflegende Angehörige müssen wirksamer unterstützt werden. Denn Pflege kann schwierig sein und auch mit negativen Emotionen einhergehen. Es ist bedeutsam, solche Gefühle zu erkennen und zu lernen, wie man damit umgehen kann." Pflegende Angehörige hätten auf Beratung und Schulung einen kostenlosen Rechtsanspruch, so Suhr. Pflegeschulungen oder Pflegeberatungen böten Unterstützung. Die Linke sprach mit Blick auf die Studie von einem Armutszeugnis für die Pflegepolitik der Bundesregierung. Das Pflegesystem sehe eine angemessene Unterstützung für die häusliche Pflege gar nicht vor, sagte die zuständige Sprecherin der Bundestagsfraktion, Pia Zimmermann. "Es ist nicht nur undurchschaubar bürokratisch und teuer für die Betroffenen, sondern immer öfter gibt es gar keine professionelle Unterstützung mehr für die pflegenden Familien." Die ambulanten Pflegedienste bluteten aus und müssten schon seit Jahren viele Klienten ablehnen, weil sie keine Kapazitäten mehr hätten.

Bis zu einer halben Million Rentner leben einer Schätzung zufolge in sogenannter verdeckter Armut. Das heißt, sie beziehen keine Sozialhilfe vom Staat, obwohl sie unterhalb der Armutsgrenze von aktuell 750 Euro pro Monat leben. Die Berechnung, über die die "Welt am Sonntag" berichtet, geht zurück auf die Verteilungsforscherin Irene Becker, die Forschungsarbeiten im Auftrag politischer Stiftungen anfertigt. Demnach sind zwischen 184.000 und 494.000 Personen betroffen, vor allem Erwerbsminderungsrentner, die womöglich aus Scham oder Unwissenheit keine Grundsicherung beantragt haben. Neben dieser verdeckten Armut gibt es offiziell mehr als eine Viertelmillion Menschen, deren Erwerbsminderungsrente so gering ist, dass sie zusätzlich Leistungen aus der steuerfinanzierten Grundsicherung beziehen. Erwerbsminderungsrenten sind Leistungen der Deutschen Rentenversicherung für jene, die nicht bis zum regulären Rentenalter berufstätig sein können. Sie liegen oftmals unter dem Existenzminimum von 750 Euro pro Monat. Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, kritisierte, dass die Erwerbsminderungsrenten deutlich zu niedrig seien. "Es ist ein Skandal, dass Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr arbeiten können, in vielen Fällen direkt in die Armut rutschen." Bentele forderte unter anderem die Abschaffung der bestehenden Strafabschläge auf die Rente von Erwerbsminderungsrentnern. Derzeit bekommen Berufstätige, die krankheitsbedingt vor Erreichen des Regelrentenalters aus dem Berufsleben ausscheiden müssen, bis zu 10,8 Prozent weniger Rente. Das Bundesarbeits- und Sozialministerium erklärte, es sei ein Erfolg, dass der Durchschnitt der Erwerbsminderungsrenten im vergangenen Jahr das Niveau der Jahrtausendwende wieder erreicht habe, nachdem er in der Zwischenzeit deutlich darunter gesunken war. Diese Entwicklung zeige die "spürbaren Verbesserungen für die mehr als 170.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die jährlich eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in Anspruch nehmen müssen", so das Ministerium.

Schüler schneiden im PISA-Test umso besser ab, je kompetenter ihre Lehrer im Rechnen und Lesen sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Volkswirten aus Deutschland und den USA, wie die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) am Montag in Eichstätt mitteilte. Dabei untersuchten die Autoren für 31 Länder die Fähigkeiten von Lehrkräften und verknüpfte sie mit den jeweiligen Schülerleistungen im PISA-Test. "Würde es allen untersuchten Ländern gelingen, ihre Lehrer auf das höchste Kompetenzniveau zu bringen, nämlich das von Finnland, würden sich die internationalen Unterschiede in den Schülerleistungen um rund ein Viertel verringern", erläuterte der KU-Volkswirt Simon Wiederhold. Dabei spiele auch die Bezahlung der Lehrkräfte eine Rolle. Je besser sie im Vergleich mit anderen Hochschulabsolventen bezahlt würden, desto eher ließen sich Personen mit hohen kognitiven Kompetenzen für den Lehrerberuf gewinnen. Bei der Studie, an der auch Forscher des Münchner ifo-Instituts und von der kalifornischen Stanford Universität beteiligt waren, zeigten sich laut Mitteilung erhebliche Unterschiede im internationalen Vergleich. Demnach entspricht das Kompetenzniveau der Lehrkräfte in Chile und in der Türkei dem von kanadischen Erwachsenen mit abgeschlossener Berufsausbildung. In Japan und Finnland hingegen seien sie vergleichbar mit denen kanadischer Hochschulabsolventen mit einem Master oder Doktortitel. Deutsche Lehrer hätten unter den 31 verglichenen Ländern beim Rechnen den dritten, beim Lesen den zehnten Rang belegt. Bei der Studie sei noch ein weiterer Zusammenhang entdeckt worden, hieß es. In Ländern, in denen Frauen auch jenseits der Schule gute Perspektiven in hochqualifizierten Arbeitsfeldern hätten, sei das kognitive Niveau der Lehrkräfte im Schnitt geringer. Dies könne als Folge der Abwanderung gut qualifizierter Frauen in andere Branchen interpretiert werden. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)