Eingangsstatement zur Anhörung im BT-Familienausschuss am 5. November 2018

· Stellungnahmen · Erziehung, Bildung und Betreuung

Thema: Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 12. Oktober 2018)

 

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Abgeordnete,

der Familienbund der Katholiken begrüßt das Ziel des Entwurfs, die Qualität in der Kindertagesbetreuung zu verbessern. Die vielen positiven Auswirkungen der Kindertagesbetreuung können nur mit qualitativ hochwertigen Angeboten erreicht werden. Es ist sehr zu begrüßen, dass der Bund nun rund 5,5 Milliarden Euro für die Verbesserung von Qualität und Teilhabe in der Kindertagesbetreuung investieren möchte.  Dieser Summe steht ein großer Investitionsbedarf gegenüber. Geschätzt wird, dass allein für die Herstellung einer angemessenen Fachkraft-Kind-Relation ein finanzieller Mehrbedarf in Höhe von rund 5 Milliarden Euro pro Jahr besteht. Insgesamt werden die jährlichen Kosten für den Qualitätsausbau auf 8 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Möchte man zugleich das Ziel der generellen Beitragsfreiheit für alle Eltern erreichen, steigt der Mehrbedarf auf 15 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist weit mehr als die maximal 2 Milliarden Euro pro Jahr, die aufgrund dieses Gesetzentwurfs investiert werden sollen. Bereits aus diesen Zahlen ergibt sich die Notwendigkeit, klare Prioritäten zu setzen.

Der „Instrumentenkasten“ des Entwurfs (§ 2 KiQuTG) führt alle Handlungsfelder und Maßnahmen umfassend auf, in denen Qualitätsverbesserungen wünschenswert wären. Der Bund kann und sollte aber mit den begrenzten vorgesehenen Mitteln nicht alle Bereiche der Qualitätsentwicklung fördern. Er sollte sich auf elementare Qualitätsmaßnahmen konzentrieren, die die Qualität nachweislich – d.h. durch wissenschaftliche Studien belegt –verbessern. Andere Qualitätsmaßnahmen sollte er den Ländern überlassen, die im Bereich der Kitaqualität in einer originären Verantwortung stehen.

Ein klarer Fokus des Bundes sollte auf der Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels liegen. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass sich ein guter Fachkraft-Kind-Schlüssel sehr positiv auf die Qualität der Kindertagesbetreuung auswirkt. Dass ausreichend qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung stehen, ist eine Grundvoraussetzung für viele andere Qualitätsmaßnahmen. Sprachliche und ganzheitliche Bildung, ausreichend Zeit für Leitungsaufgaben, individuelle Förderung und individuelles Eingehen auf die Kinder sind bei einem Mangel an Fachkräften nur schwer möglich. Und auch eine gute räumliche und sächliche Ausstattung hilft ohne das entsprechende Personal nichts. Daher ist ein guter Fachkraft-Kind-Schlüssel auch den Eltern besonders wichtig. In diesem Bereich sollten Mindeststandards geregelt werden. Darüber wie diese Mindeststandards aussehen sollten, besteht in Wissenschaft und Verbänden weitgehend Einigkeit: Bei Kindern unter 3 Jahren sollte der Fachkraft-Kind-Schlüssel 1:3 oder 1:4 betragen, bei Kindern über 3 Jahren 1:8 oder 1:9. Den Ländern könnten angemessene Übergangsfristen gewährt werden, wenn es derzeit – z.B. aufgrund fehlender Fachkräfte – noch nicht möglich ist, diese Werte zu erreichen.

Im Bereich der Entlastung der Eltern bei den Gebühren ist eine bundesweit verpflichtende Gebührenstaffelung prioritär. Die Gebühren sollten sich an der ökonomischen Leistungsfähigkeit der Eltern orientieren. Diese in § 90 Abs. 3 und Abs. 4 des Achten Sozialgesetzbuchs vorgesehene Regelung sollte unbedingt beibehalten werden. Darüberhinausgehende Gebührenentlastungen sollte der Bund der Verantwortung der Länder überlassen. Umfangreiche Investitionen in diesem Bereich gehen – bei insgesamt begrenzten Mitteln – zu Lasten der Qualitätsentwicklung. Hinzu kommt: Viele Länder planen ohnehin weitere Entlastungen der Eltern bei den Kitagebühren. Gerade hier ist die Gefahr also besonders groß, dass der Bund Maßnahmen bezahlt, die die Länder ohnehin vorgenommen hätten. Das sollte vermieden werden. Aus einem ähnlichen Grund sollten auch keine bereits begonnenen Maßnahmen finanziert werden.

Auch das Verfassungsrecht verlangt, dass der Bund sich auf wesentliche und grundlegende Qualitätsmaßnahmen konzentriert. Denn der Bund hat die Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Kindertagesbetreuung nur, soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Das entscheidende Wort ist „soweit“. Daraus ergibt sich, dass jede einzelne Qualitätsmaßnahme daraufhin überprüft werden muss, ob eine erhebliche Auseinanderentwicklung droht, die das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigt. Das ist nicht auf allen Handlungsfeldern des Instrumentenkastens der Fall. Den für die Kitaqualität entscheidenden Fachkraft-Kind-Schlüssel darf der Bund jedoch auch nach diesem strengen verfassungsrechtlichen Maßstab regeln.

Zusammengefasst: Politische und verfassungsrechtliche Erwägungen legen nahe, dass der Bund im Gesetz stärkere Prioritäten setzen und sich insbesondere auf die Sicherstellung eines guten Fachkraft-Kind-Schlüssels konzentrieren sollte. In diesem Bereich sollte er den Ländern Mindeststandards vorgeben.

 

Matthias Dantlgraber
Berlin, 14. November 2018